Nun ist sie also schon wieder vorbei, die diesjährige Vierschanzentournee.
Aus rot-weiß-roter Sicht war sie natürlich ein absoluter Erfolg. Daniel Tschofenig darf sich den Goldenen Adler daheim in die Vitrine stellen, Jan Hörl und Stefan Kraft machten den ersten österreichischen Dreifachsieg in der Gesamtwertung seit 2012 perfekt.
Andreas Widhölzl hat das Kunststück vollbracht, die Tournee als Aktiver und Trainer zu gewinnen. Hinzu kommen dominante Erfolge seiner Überflieger, die in jeder Qualifikation und jedem Bewerb ganz oben gestanden sind.
Überhaupt gingen elf von zwölf Podestplätzen an Österreich, das ist Tournee-Rekord. Einzig Gregor Deschwanden war es vorbehalten, in Garmisch-Partenkirchen etwas "Farbe" hineinzubringen, wobei diese auch Rot-Weiß war.
Da darf es das ÖSV-Team in den nächsten Stunden und Tagen zurecht richtig krachen lassen, wenngleich Hörl und Kraft so knapp nach dem verpassten Tournee-Triumph naturgemäß wenig Euphorie ausstrahlten.
Dominanz war in dieser Form nicht erwartbar
Dass Österreich die Konkurrenz derart in Grund und Boden fliegen würde, war eigentlich nicht zu erwarten.
Der Doppel- bzw. Dreifachsieg bei der Generalprobe in Engelberg war ein erster Indikator, dass die Tournee sehr wohl diesen Ausgang nehmen könnte.
Doch ein gewisser Pius Paschke war als der große Favorit in die 73. Ausgabe des prestigeträchtigen Wettbewerbs gegangen, immerhin entschied der 34-jährige Deutsche fünf von zehn Saisonbewerben für sich und stand in zwei weiteren Springen am Podest.
Die (viel zu hohen) deutschen Erwartungen konnte er letzten Endes allerdings nicht annähernd erfüllen, die Bürde, den ersten schwarz-rot-goldenen Tourneesieg seit Sven Hannawald 2001/02 zu holen, war zu groß.
Gleichzeitig sprangen sich Daniel Tschofenig, Jan Hörl und Stefan Kraft in einen absoluten Rausch, ließen die Psychospielchen der Konkurrenz nicht an sich heran und versetzten Österreich unweigerlich in ein Skisprung-Fieber.
Ausverkaufte Stadien, tolle Stimmung und ein gnädiger Wettergott
Mit der Dreifachführung in der Gesamtwertung im Rücken war das Bergisel-Springen prompt zum ersten Mal seit 2016 ausverkauft. Die 22.500 Fans verwandelten das Stadion in einen absoluten Hexenkessel, der sogar den Anlaufturm zum Beben brachte.
Auch Bischofshofen war fast ausverkauft, 14.300 Zuschauer - 15.000 sind zugelassen - sorgten ebenfalls für eine fantastische Stimmung. Natürlich, ist man geneigt zu sagen, wollte sich niemand das Spektakel im Salzburger Pongau entgehen lassen.
Und der Wettergott war gnädig. Wo nur wenige Kilometer entfernt von der Naturschanze zahlreiche Windwarnungen ausgesprochen wurden, war Bischofshofen wie in ein Windnetz gehüllt, das bis zum letzten Sprung von Kraft stabil blieb.
Die Folge war ein weiterer unglaublich hochklassiger Bewerb bei dieser Vierschanzentournee und das erwartet spannende Finale zwischen den drei herausragenden Protagonisten.
Teamgeist als Schlüssel zum Erfolg
Die Erfolgsgründe sind leicht erklärt.
Den ÖSV zeichnet ein unfassbarer Teamspirit aus, in dem sich jeder Athlet – egal ob eher schüchtern oder offen – entfalten kann. Neue Talente wie Maximilian Ortner, Stephan Embacher oder Markus Müller wird die Integration dadurch kinderleicht gemacht.
Skispringen ist immer noch ein Einzelsport, jeder könnte schlussendlich auch auf sein eigenes Wohl schauen.
Doch der Adlerhorst funktioniert nur als Team, von Allüren ist keine Spur. Selbst ein Superstar wie Kraft, der jahrelang die Speerspitze gebildet hat, vergönnt seinen Teamkollegen auch in bitteren Stunden den Erfolg und freut sich mit ihnen.
Außerdem war trotz der Rivalität die Stimmung im Team stets ausgelassen, es rannte der Schmäh. Man denke nur an Tschofenigs "Arschgeige"-Sager Richtung Jan Hörl im Training in Bischofshofen.
Auf der Schanze besticht das Team geschlossen mit einer starken Grundtechnik, lässt sich von den äußeren Bedingungen weniger als andere Nationen beeinflussen und pusht sich mit jedem Sprung gegenseitig in neue Sphären.
Die mannschaftliche Stärke ist überdies auch in Sachen Erwartungshaltung hilfreich. Aus Springersicht zu wissen, dass mehrere ÖSV-Kollegen mindestens ebenfalls so stark sind und für Erfolge sorgen können, wirkt befreiend.
Widhölzl und sein Staff formten ein Erfolgsteam
Freilich ist die rot-weiß-rote Dominanz irgendwo auch dem Umstand geschuldet, dass Nationen wie Norwegen oder Polen derzeit nicht an alte Zeiten herankommen können, es in diesen Skisprung-Verbänden öfters auch rumort. Slowenien schwächelt heuer ebenfalls.
Im ÖSV lief gerade in den späten Zehner-Jahren sicher nicht alles friktionsfrei ab, seit Widhölzls Amtsübernahme im Frühjahr 2020 ist es jedoch praktisch windstill.
"Swida", wie er seit Springer-Zeiten genannt wird, stellte den Betreuerstab mit einigen Koryphäen an Schlüsselpositionen breit auf, auf Material-Ebene hat sich der ÖSV u.a. mit Anzugchef Balthasar Schneider einen teils erheblichen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschafft.
Gleichzeitig werden den Adlern die nötigen Freiheiten gewährt, jeder müsse selbst wissen, was ihm abseits der Schanze gut tue. "Das ist gut für die Motivation, aber es muss klar kommuniziert und stimmig sein", sagte der ausgebildete Sozialpädagoge während der Tournee.
Der Anfang einer neuen Goldenen Generation?
Der Tiroler ist sozusagen der stille Architekt des Erfolgs, der im Hintergrund in Ruhe die Fäden zieht. Seine Athleten lassen auf der Schanze die Taten sprechen.
Das ist bei der Tournee nahezu in Perfektion geglückt. In knapp zwei Monaten wartet mit der Nordischen Ski-WM in Trondheim schon das nächste Highlight, bei dem Tschofenig, Hörl, Kraft und Co. groß abräumen können.
Das Jahr 2025 könnte zu einem großen rot-weiß-roten Jubelfest werden. Und der Anfang einer neuen Goldenen Generation sein.