Aufgrund der Entwicklungen bei dieser 70. Vierschanzen-Tournee hätten wohl nur die wenigsten auf ein rot-weiß-rotes Siegergesicht gewettet.
Daniel Huber strafte dann doch alle Kritiker Lügen. Der 29-jährige Salzburger klopfte schon mit Platz zwei im ersten Durchgang an und nütze einen starken Sprung für seinen ersten Weltcup-Sieg, noch dazu in Bischofshofen.
Seit 30. Dezember 2016, also über fünf Jahre, wartete Österreich auf einen weiteren Tagessieg bei einem prestigeträchtigen Tourneespringen. Mit zugemachten Augen genoss er die Nationalhymne und war zwischen Freude und Tränen hin- und hergerissen.
"Das war ein geiler Tag. Ich hatte schon ein paar zähe Wochen hinter mir. Manchmal habe ich schon ein bisschen an mir gezweifelt, aber heute war es unglaublich. Wir haben die letzten Tage noch viel gefeilt, aber dass es so ausgeht, damit kann man nicht rechnen. Daheim den ersten Sieg, das sind so viele Emotionen", jubelte Huber über den bisher größten Erfolg seiner Karriere im Einzelspringen.
Im Gesamtklassement landete er mit über 90 Punkten Rückstand an der neunten Stelle, das war an diesem denkwürdigen Abend jedoch Nebensache.
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"So viel Genugtuung"
Dass ihm der ganz große Tag ausgerechnet bei der Tournee blüht, war so nicht zu erwarten. Trotzdem hat Huber trotz aller Rückschläge nie den Glauben verloren. "Irgendwo habe ich immer gewusst, dass es in mir steckt."
"Es gehen so viele Emotionen in mir ab, dass ich gar nicht mehr weiß, was ich sagen soll", war der Routinier im "ORF" vom Erreichten gerührt.
Vor allem menschlich löst der Erfolg einiges in Huber aus. "Was zählt, ist das Sportliche. Aber was da für Leute dahinterstehen, die jetzt wahrscheinlich auch vor dem TV weinen."
Der Bischofshofen-Sieger kann sich nicht genug bei seinen Wegbegleitern bedanken. "Es ist einfach die harte Arbeit über die letzten Jahre. Dass das jetzt zurückkommt, ist einfach so viel Genugtuung und noch einmal ganz was anderes als Zweiter oder Dritter zu werden - daheim auch noch. Sehr schade, dass keine Fans da sind, aber wahrscheinlich wäre ich dann eh zu nervös gewesen."
"Das ist natürlich ein Wahnsinn"
Trotz des Überraschungstriumphes wirkt Huber gefestigt und kann das Geleistete gut einordnen. Irgendwie hat er sogar gespürt, dass an diesem Dreikönigstag etwas möglich sein könnte.
"Das ist einfach ein Tag, wo ich extrem klar sehe. Ich habe mich körperlich gut gefühlt, mich von der ersten Minute an wohl gefühlt, schon auch viel Konzentration gebraucht, aber das fordert der Sport auch. Das so zurückzubekommen, ist natürlich ein Wahnsinn. Bis ich das realisiert habe, dauert es wahrscheinlich noch ein paar Stunden."
Aufgrund der Corona-bedingten Sperrstunde um 22 Uhr muss Huber noch schauen, was sich in puncto feiern noch ausgeht.
Widhölzls ÖSV-Bilanz mit gemischten Gefühlen
ÖSV-Trainer Andreas Widhölzl freute sich mit Huber. "Wir haben hart mit ihm gearbeitet. Dass er den ersten Sieg vor heimischem Publikum gemacht hat, tut irrsinnig gut", sagte Widhölzl.
Insgesamt bilanzierte er aber "mit gemischten Gefühlen", denn Jan Hörl wurde als bester ÖSV-Mann nur Tournee-Achter. Und Weltmeister Stefan Kraft, am Schlusstag 24., befindet sich im Tief. "Die Gesamtwertung ist natürlich nicht so gut. Wir haben gerade am Anfang viel liegen lassen", so Widhölzl.
Schon als Huber im Finaldurchgang in Führung gegangen war, hatten die Teamkollegen mit ihm gejubelt, noch mehr aber naturgemäß nach Geigers Rückfall. 22 Tournee-Springen in Folge hatte es nicht mit einem ÖSV-Sieg geklappt, selbst ein Podestplatz war elfmal in Folge Fehlanzeige. "Mit dem heutigen Tag können wir definitiv sehr zufrieden sein", sagte Mario Stecher, Sportlicher Leiter im ÖSV. "Aber mit dem gesamten Team war es eine gute Leistung in den vergangenen vier Tagen."
Die Tournee sei nach dem ersten Bewerb, dem Absturz von Oberstdorf, für die Österreicher schon vorbei gewesen, so Stecher. "Da haben wir richtig eine auf den Deckel gekriegt. Und das stimmt mich positiv, dass man sich innerhalb einer Tournee noch einmal so steigert. Da sieht man, wie kompakt dieses Team ist." Als einzige Mannschaft stellen die Österreicher in dieser Saison mehr als einen Weltcupsieger, nun sind es schon drei. Im Dezember hatte Hörl in Wisla gewonnen, Kraft in Klingenthal.
"Grandios, der 'Hubi'"
Und Bischofshofen bleibt der absolute Lieblingsbakken der Österreicher im Tourneegetriebe. Hubers Triumph war da der 24. in der Geschichte des Klassikers, womit mehr als ein Drittel der Finalbewerbe an Lokalmatadore gingen. Garmisch-Partenkirchen folgt mit 14 sowie Oberstdorf und Innsbruck mit je 13 ÖSV-Siegen und damit reichlich Abstand. Davor letzter ÖSV-Gewinner auf der Paul-Außerleitner-Schanze war vor sieben Jahren Michael Hayböck gewesen. Der Vortages-Neunte wurde diesmal 22.
"Grandios, der 'Hubi' ist heute extrem gut gesprungen", lobte der Oberösterreicher seinen Teamkollegen. "Und ich habe ihm dann auch gleich gesagt, Bischofshofen als Ort für den ersten Weltcupsieg - das ist gut, kann ich nur unterschreiben." 2015 war es nämlich auch für Hayböck der Premierensieg, insgesamt vier weitere sollten in den beiden Saisonen danach folgen. Ob der 30-Jährige für die Einzel- und Team-Weltcups dieses Wochenende im ÖSV-Team bleibt, war vorerst noch offen.
Fix verkündete Widhölzl dafür den Aufstieg von Clemens Aigner ins Weltcup-Team zuungunsten von Ulrich Wohlgenannt. Letzterer wurde am Donnerstag 31., punktete auf der Tournee nur am Mittwoch. Aigner hingegen ließ dem elften einen 18. Rang folgen. Drittbester Österreicher im Dreikönigsspringen hinter Huber und Hörl wurde Philipp Aschenwald als Elfter, Daniel Tschofenig belegte Rang 19. Der Halbzeit-Sechste Manuel Fettner verlor erneut einen Ski, stürzte diesmal zu früh und wurde 20.