Das Coronavirus hat das ÖSV-Skisprungteam der Männer enorm gebeutelt.
So nimmt Weltcupsieger Stefan Kraft die am Montag mit der Qualifikation startende Vierschanzentournee nach Virusinfektion und Rückenproblemen mit nur zwei bestrittenen Bewerben in Angriff, auch seine sechs Kollegen mussten in Quarantäne. Cheftrainer Andreas Widhölzl berichtete am Mittwoch aber von guten Testwerten. "Favoriten sind wir sicher nicht, aber ich fahre mit gutem Gefühl nach Oberstdorf."
Stefan Kraft kommt nach zwölftägiger Zwangspause und nur einer Handvoll Trainingssprüngen in Seefeld zum zweiten Saisonhöhepunkt. Beim ersten, der Skiflug-WM, hatte er als Weltrekordler passen müssen.
Bisher "mühsame" Saison
Widhölzl sprach von einer "mühsamen" Saison. "Man möchte, aber man kann nicht. Man weiß, die Jungs springen gut, haben aber keine Chance, es zu zeigen", blickte Widhölzl auf schwierige Phasen wegen der Quarantäne zurück.
Die bisher besten ÖSV-Resultate gingen auf das Konto von Daniel Huber. Der 27-jährige Salzburger war Dritter in Wisla und schaffte als Zweiter in Nischnij Tagil sein bestes Karriere-Resultat, ehe auch er in eine Zwangspause musste. Dennoch trägt er gemeinsam mit Michael Hayböck die Hoffnungen auf Spitzenplätze.
"Sie können jederzeit zwischen Sieg und Platz sechs hineinspringen. Das ist auch ihr Ziel, aber man darf nicht zu weit vordenken, sie müssen bei ihren Sachen bleiben", betonte Widhölzl. "Aber wir möchten definitiv mitkämpfen um den Sieg. Nach den Erfahrungen des Trainings habe ich ein gutes Gefühl. Ich hoffe, dass alle in einen guten Rhythmus kommen." Da hätten andere Teams, die die Saison bisher durchziehen konnten, noch Vorteile.
Huber ist vor der zuvor ungewohnten Situation, verstärkt im Blickpunkt zu stehen, nicht bang. "Ich kann auf einem coolen Level Skispringen und vorne mitfighten. Das möchte ich zur Tournee mitnehmen. Ich freue mich riesig darauf", sagte der Flachgauer.
Er habe viel von der Zusammenarbeit mit Neo-Coach Widhölzl profitiert, müsse aber noch viel lernen, etwa in Stresssituationen ruhig zu bleiben, meinte Huber. Er setzt auf einen guten Auftakt. "Ich mag alle vier Schanzen, aber Oberstdorf kommt meinem Rhythmus am besten entgegen." Für den Bewerb im Allgäu und auch bei der WM im Februar werden die Springer in einem Hotel im nahegelegenen Kleinwalsertal wohnen.
ÖSV-Adler dieses Jahr nur in Einzelzimmern
Dort werden sie laut Teamführung in der Pandemie in Einzelzimmern untergebracht sein. Auch zum Leidwesen von Michael Hayböck, dem langjährigen Zimmerkollegen von Kraft. "Ich hätte es mir sehr gewünscht, mit ihm ein Zimmer zu teilen, aber das müssen andere entscheiden." Seinem Freund und Trainingspartner im Stützpunkt Rif wünscht der 29-Jährige das Beste. "Ich hoffe, dass der Körper von Kraft durchhält, denn das Springen kann er."
Hayböck war bei Krafts Tourneesieg Gesamt-Zweiter und Tagessieger in Bischofshofen. Nach vier problematischen Jahren hat der Oberösterreicher an frühere Zeiten angeschlossen. Er sei nach Rückenproblemen wieder topfit und habe im Sommer ausgezeichnet trainiert. "Die Ausgangslage ist heuer für mich besser. Ich traue mir etwas zu, aber Favoriten sind andere." Freilich würden bei der Tournee oft spannende Sachen passieren. "Das ist ja das Coole daran", meinte Hayböck. Er könnte sich gut in die Rolle die Überraschungsmannes versetzen.
Granerud als großer Favorit, Schlierenzauer enttäuscht
Klarer Favorit ist nach zuletzt fünf Weltcupsiegen in Serie der Norweger Halvor Egner Granerud, der Aufsteiger der Saison. "Er hat gerade einen Lauf und ist schwer zu besiegen. Wenn man vollgepackt ist mit Selbstvertrauen, schaut man noch einmal besser aus als die anderen", meinte Hayböck. Vorjahressieger Dawid Kubacki und seine polnischen Teamkollegen zählen ebenso zu den Jägern des 24-Jährigen aus Oslo wie die Deutschen um den Weltmeister und zweifachen Saisonsieger Markus Eisenbichler.
Das Trio Kraft, Hayböck und Huber sowie Jan Hörl, der als Spitzenreiter des Kontinentalcups den siebenten Startplatz sicherte, hatten für Widhölzl Fixplätze. Er setzt auch auf das Vermögen von Philipp Aschenwald und nominierte Markus Schiffner wegen dessen guter Platzierungen (10. und 11.).
"Die Entscheidung um den letzten Platz ist für Thomas Lackner und gegen Gregor Schlierenzauer gefallen", sagte der Cheftrainer. Lackner, der wie Schiffner der zweiten Trainingsgruppe angehört, war Vierter in Nischnij Tagil. Bei Schlierenzauer sei zuvor festgelegt worden, dass er in Engelberg unter die besten zehn oder 15 springen müsse. Das habe dieser nicht geschafft. Dennoch sehe er Potenzial beim 30-Jährigen, urteilte Widhölzl.
Schlierenzauer, der sich ebenfalls mit dem Virus infiziert hatte, war nur bei drei Weltcup-Einzelbewerben am Start. "Ich muss akzeptieren, dass meine Leistungen nicht gut genug waren", schrieb der Tiroler in seinem Blog und gab zu, sehr enttäuscht zu sein. Er startet zu Wochenbeginn im Kontinentalcup erneut in Engelberg und könnte im nationalen Kontingent in Innsbruck und Bischofshofen in den Weltcup zurückkehren.