Anna Gasser hat viele Talente. Neben dem Snowboarden ist die Big-Air-Olympiasiegerin eine begeisterte Turnerin, die letzten Monate musste sie sich auch als Schauspielerin beweisen.
"The Spark Within" ("Der Funke in mir") heißt der Dokumentarfilm über die Kärntner Ausnahmesportlerin, der am Donnerstag in Wien Premiere feierte und am Montag, 15. November, ab 22:30 Uhr auf ServusTV und ab 16.11. bei "redbull.tv" zu sehen ist.
"Eine Eigenschaft von mir ist, dass ich immer diesen eigenen Willen hatte, diesen gewissen Funken, dass ich das unbedingt will und auch alles dafür getan habe. Ich hoffe, das inspiriert viele Menschen, dass sie ihrem Traum folgen", erklärt Gasser im LAOLA1-Interview.
Ihr persönlicher Traum vom Snowboarden begann ungewöhnlich spät, was folgte ist eine außergewöhnliche Karriere. Gasser prägt den Freestyle-Snowboard-Sport seit Jahren und hat ihn auf eine neue Ebene gehoben.
"Mein Weg ist ein ganz besonderer. Ich habe erst so spät mit dem Snowboarden angefangen und war dann gleich mal auf den Kickern und in der Luft unterwegs, das Fahrerische habe ich erst später gelernt. Es war mir aber immer sehr wichtig, dass ich trotzdem eine gute Snowboarderin bin und mein Board unter Kontrolle habe", erklärt die 30-Jährige.
Ihr Film gibt einen tiefen, emotionalen Einblick in ihre Karriere und zeigt auch die private Anna Gasser. Die sportliche Karriere und das Filmprojekt unter einen Hut zu bringen, war nicht immer einfach, gesteht Gasser.
"Am schwersten war es, beides zu machen, die Bewerbe und das Filmen. Ich war oft an der Grenze meiner Belastbarkeit. Ich bin eine Perfektionistin und wollte beides perfekt machen, aber das war die größte Herausforderung, das alles unter einen Hut zu bringen", sagt die Gewinnerin des Freestyle- und Slopestyle-Weltcup des Vorjahres.
Anna Gasser im ausführlichen Interview über ihren Film und ihre sportlichen Ziele in diesem Winter und den enormen Druck bei Olympia:
Frage: Der Film beginnt mit zahlreichen Stürzen. Wie geht es Ihnen beim Ansehen?
Gasser: Es fängt wirklich mit extrem harten Stürzen an, die schaue ich mir schon ungern an. Ich habe den Film ein paarmal gesehen, weil ich beim Schneiden ein bisschen mitentscheiden konnte. Als ich dann wusste, okay, jetzt kommt der Sturz, habe ich nicht mehr hingeschaut. Aber da ich weiß, dass nichts Schlimmes passiert ist, geht es noch.
Frage: Als es im Film schlussendlich soweit ist, warum sie den Dreifachsprung das erste Mal machen, sagen Sie: "Ich wollte ihn machen, egal was rauskommt". Also auch eine Verletzung. Hat sich mit dem Älterwerden die Risikobereitschaft oder Herangehensweise verändert?
Gasser: Ich glaube, es hat sich verändert, wobei das bei mir nichts Negatives ist. Als ich jünger war, war ich ziemlich oft verletzt, weil ich sehr viel Risiko eingegangen bin. Ich bin immer noch so, dass ich mich weiterentwickle, aber ich denke vielleicht mehr und gehe gezielter vor. Wenn ein perfekter Tag am Berg ist und ich mich gut fühle, gehe ich ein gewisses Risiko ein. Aber wenn bei einem Bewerb die Verhältnisse schlecht sind, sage ich, heute gebe ich nicht alles, heute fahre ich mehr auf Taktik. Vielleicht ist der erste Platz nicht so wichtig wie die Gesundheit in der gesamten Saison. Diesen Weitblick habe ich erst in den letzten zwei, drei Jahren gelernt. Davor habe ich immer alles gegeben, aber das war in meinem Fall nicht immer gut.
Frage: Was hat die Nackenverletzung 2016, die auch das Karriereende bedeuten hätte können, verändert?
Gasser: Vor der Verletzung hatte ich noch nicht die großen Erfolge. Ich war aber so hungrig, ich war fast zu hungrig. Ich wollte es so unbedingt. Die Verletzung hat mich ein bisschen auf den Boden geholt und gezeigt, dass ich nicht so viel verpasse, wenn ich nicht jeden Tag trainiere. Davor wollte ich jeden Tag auf den Berg, jeden Tag alles geben. Als ich verletzt war, war ich gezwungen, andere Sachen zu machen. Ich habe mich sogar mit dem Gedanken gespielt, ob es weitergeht. Dann bin ich zurückgekommen und habe gesehen, dass ich noch immer mithalten kann. Die Verletzung hat mich ruhiger gemacht. Das war vielleicht der ausschlaggebende Punkt, dass es danach so gut gelaufen ist.
Frage: Sie bekommen im Film große Wertschätzung von den Mitstreiterinnen und Mitstreitern, die teilweise auch Freunde geworden sind. Wie kommt es bei Ihnen an, wenn Sie hören, dass Sie mit ihren Tricks den Sport in eine neue Dimension gehoben haben?
Gasser: Das im Film zu hören, hat mich sehr gefreut. Ich schätze meine Konkurrentinnen genauso. Das ist eine spezielle Basis in unserem Sport, dass wir Konkurrentinnen aber gleichzeitig Freundinnen sind und uns alle unterstützen. Viele von ihnen sind in Innsbruck bei der Premiere des Films auf Englisch dabei.
Frage: Man erfährt, dass Sie sich am wohlsten beim Snowboarden fühlen und den Rummel eigentlich nicht so mögen. Viele Sportler machen aus sich indes eine Marke. Wie wichtig ist Ihnen, dass Sie sich übers Snowboarden definieren?
Gasser: Ich bin offen, aber es war mir immer wichtig, dass ich mit dem Sport glänzen kann. Das ist meine Leidenschaft und was ich liebe. Alles andere, das dazugekommen ist, ist zufällig passiert. Es macht mir zwar auch Spaß, aber das Snowboarden ist noch ganz oben bei mir. Aber Sachen, die zufällig passieren, sind oft die, die am meisten funktionieren. Ich bin ein Mensch, der probiert, die Chancen zu ergreifen, die kommen. Ich bin gespannt.
Frage: Was wollen Sie mit dem Film vermitteln?
Gasser: Ich hoffe, dass viele Messages rüberkommen, dass er andere, junge Sportlerinnen inspiriert. Ich hoffe, dass der Snowboardsport in Österreich ein bisschen populärer gemacht wird, dass man den Leuten die Schönheit des Sportes zeigt, wie der Sport funktioniert. International und deshalb haben wir ihn auch auf Englisch gemacht, ist er da, um junge Mädels zu motivieren, dass sie in ihrem Sport ihren Weg gehen sollen.
Frage: Der Film endet mit dem großen Triumph bei Olympia 2018. Die nächsten Spiele stehen vor der Tür, was ist seitdem passiert?
Gasser: Der Film ist passiert, das hat ein bisschen Zeit vom reinen Fokus auf die Bewerbe weggenommen, besonders in der letzten Saison. Das war stressig, aber es waren coole Erfahrungen. Davor habe ich mit Verletzungen zu kämpfen gehabt. Ich hoffe, dass das Timing jetzt stimmt, weil zur Zeit fühle ich mich gut und ich freue mich auf die Saison und dass ich mich wieder auf das Eine konzentrieren kann. Weil in den letzten Jahren habe ich alles ein bisschen ausprobiert und geschaut, was mir taugt, das Tiefschneefahren, das Filmen. Dieses Jahr habe ich gesagt, der Fokus ist auf Olympia und den Bewerben.
Frage: Wird Peking für Sie aufgrund der Umstände, und auch weil der Erfolg schon da war, ein anderes Olympia werden?
Gasser: Es ist ganz anders. Was die Erwartungshaltung betrifft, war Südkorea brutal. Da war ich Topfavoritin und wollte selbst unbedingt mit einer Medaille und am liebsten mit der Goldmedaille heimkommen. Die Erwartungen von außen und an mich selbst waren so groß, dass ich so viel Last auf den Schultern hatte. Ich fühle diese Last heuer nicht, wahrscheinlich kann ich Olympia ein bisserl mehr genießen. Eine Medaille ist aber schon das große Ziel. Ich hoffe, dass chinesische Zuschauer erlaubt sind und ein bisschen Olympiafeeling aufkommt - obwohl wir die Corona-Situation haben und Olympia in China ist. Es wäre schön, wenn meine Eltern mitkommen könnten. Aber ich bin es gewohnt, alleine zu fahren. Die Eltern sind nur der Bonus und wir haben diesen speziellen Moment in Korea gemeinsam erlebt. Dieser Moment wird mir sehr viel Kraft geben.