"Ich habe hinlänglich bewiesen, dass mein Konzept relativ gut funktioniert. Die Erfolge sind da."
Mit diesen Worten stellte sich Mario Stecher im Februar als neuer Sportdirektor des Österreichischen Skiverbandes vor.
Der 47-jährige Steirer war zuvor seit 2018 sportlicher Leiter der erfolgreichen Skispringer und Nordischen Kombinierer, ehe er zum Sportdirektor für alle Sparten befördert wurde. Seit dem 1. Mai ist er offiziell im Amt und leitet im Verbund mit Generalsekretär Christian Scherer die Geschicke des mächtigen Verbandes.
Nach einem halben Jahr als ÖSV-Sportdirektor spricht Stecher am Rande des Ski-Weltcups in Gurgl im LAOLA1-Interview über sein Ziel, dass der erfolgsverwöhnte ÖSV in allen Disziplinen um Medaillen und um den Gesamtweltcup mitkämpfen kann, die Umstrukturierung im Alpin-Nachwuchs, abtrünnige Biathleten und die Konkurrenz der kleineren Verbände.
LAOLA1: Bei den Heimrennen in Gurgl am Wochenende gab es keinen Podestplatz für Österreich. Wie lautet dein Fazit?
Mario Stecher: Die Kulisse war schon megamäßig, es war eine super Werbung für den Skisport. Sportlich war es natürlich überschaubar. Das ist sicher nicht das, was man sich erwartet hat. Unsere Athleten konnten teilweise trotzdem zeigen, dass sie wirklich schnell Skifahren können. Katharina Liensbergers erster Lauf war sehr gut, Platz drei ist das, wo sie momentan zu finden sein sollte. Im zweiten Lauf hat sie den Steilhang ein bisschen verbremst. Aber wichtig ist, dass sie wieder Selbstvertrauen hat. Bei den Männern ist die Dichte im Slalom gerade extrem hoch. Da macht sich ein Fehler wie bei Fabio Gstrein oder Dominik Raschner noch schneller bemerkbar, beide haben aber eine gute Leistung gezeigt. Manuel Feller wäre bis zum Einfädler sehr gut unterwegs gewesen.
"Man muss neidlos anerkennen, dass die kleineren Verbände, teilweise auch die Ein-Mann- und Ein-Frau-Teams sensationell aufgestellt sind. Da kann man sich durchaus mit uns messen, die sind teilweise sogar mehr als auf Augenhöhe"
LAOLA1: Du bist seit einem halben Jahr als Sportdirektor im Amt. Was war die bisher größte Herausforderung?
Stecher: Dass man einen Weg findet, um die Sachen, die man sich in den Kopf gesetzt hat, umzusetzen – wie zum Beispiel den Nachwuchs im Alpin-Bereich relativ schnell umzustruktuieren. Das war schon eine große Herausforderung, hat aber bis jetzt wirklich sehr, sehr gut und schnell funktioniert. Harald Kirchmair als neuer Nachwuchs-Chef wird von den Landes-Skiverbänden, Vereinen und Schwerpunktschulen wirklich angenommen.
LAOLA1: Verfolgst du bei den Alpinen im Nachwuchs denselben Ansatz, den du bei den Nordischen in den vergangenen Jahren erfolgreich umgesetzt hast?
Stecher: Genau so ist es. Auch dort hat man versucht, die Landes-Skiverbände mitzunehmen und es hat relativ schnell funktioniert. Natürlich ist der Skisport etwas anderes, weil es andere Alters-Strukturen gibt. Aber man muss dort ansetzen, dass man wirklich jeden einzelnen mit ins Boot holt – von den Zwölfjährigen bis ins Alter hinein, wo man im Weltcup leistungsfähig sein könnte.
LAOLA1: Du hast bei deinem Amtsantritt gesagt, dein Ziel ist es, dass der ÖSV in allen Disziplinen um Medaillen und um den Gesamtweltcup mitkämpfen kann. Ist das wirklich realistisch?
Stecher: Ich glaube schon, dass das der Anspruch des Österreichischen Skiverbands sein sollte. Aber es wird nicht von jetzt auf gleich gehen, gerade im Ausdauersport wie etwa dem Biathlon. Genauso ist es auch im Skisport. Aber wir sind überall in Schlagdistanz. Das hat man im vergangenen Jahr mit den Kugeln von Conny Hütter und Manuel Feller gesehen. Es muss halt das gesamte Umfeld zusammenpassen. Ich glaube schon, dass wir als ÖSV so gut aufgestellt sind, dass wir das auch schaffen werden.
LAOLA1: Hat man als großer Verband, wie es der ÖSV ist, noch einen Vorteil gegenüber den kleineren Nationen, die immer erfolgreicher sind?
Stecher: Man muss neidlos anerkennen, dass die kleineren Verbände, teilweise auch die Ein-Mann- und Ein-Frau-Teams sensationell aufgestellt sind. Da kann man sich durchaus mit uns messen, die sind teilweise sogar mehr als auf Augenhöhe. Andererseits hat mir Aleksander Aamodt Kilde erst vor kurzem gesagt, es ist unglaublich, wie der Österreichische Skiverband aufgestellt ist. Und das kommt von einem Norweger, die ja aktuell gerade sehr erfolgreich sind. Dort gibt es einige wenige Athleten und diese wenigen haben auch sehr lange Zeit, sich zu entwickeln. Bei uns gibt es im ÖSV-Kader und im Landeskader immer noch relativ viele und die haben weniger Zeit, weil der oder die nächste schon parat steht. Für uns ist es wahnsinnig schwierig, wirklich die richtigen Athleten rauszufiltern und auch fahren zu lassen. Das ist unsere Challenge.
LAOLA1: Ist der Ansatz, junge Athleten schneller in den Weltcup zu bringen, der richtige?
Stecher: Ich glaube, es geht nicht ums schneller, sondern um den richtigen Zeitpunkt. Wenn jemand bereit ist, auf oberster Ebene mitzukämpfen, dann sollte das auch passieren. Aber es bringt oft nichts, wenn du als junger Athlet in den Weltcup geschickt wirst und dann fünf Sekunden Rückstand hast. Wenn das zwei, drei Mal passiert hat man dem Sportler auch nichts Gutes damit getan. Wenn es umgekehrt gut läuft und man unter die 30 kommt, ist das für den Kopf und das Selbstvertrauen sehr wichtig. Ich glaube, das muss man einfach versuchen für die Zukunft. Ich bin 100-prozentig der Meinung, dass wir extrem viele gute Skifahrer haben. Das sieht man bis hinunter in den Nachwuchs.
"Wir waren erfolgsverwöhnt."
LAOLA1: Du hast schon kurz das Thema Biathlon angesprochen. Bei den Männern klafft eine große Lücke, was die nächste Weltcup-Generation betrifft.
Stecher: Man muss ganz klar sagen, dass wir bei den Männern im Augenblick leider nicht so weit sind, wie wir uns das vorstellen. Wir waren mit einem Sumann, Landertinger, Mesotitsch auch erfolgsverwöhnt. Der einzige aus dieser Generation, der noch da ist, ist Simon Eder. Mit seinen 41 Jahren liefert er noch sensationell gute Leistungen, wird aber auch nicht mehr die großen Sprünge machen. Es muss das Ziel sein, mit den jungen Leuten, die jetzt 13, 14, 15 Jahre sind, in die Kategorie, wie sie ein Sumann, Landertinger und Co. waren, hineinzuschmecken. Im Ausdauersport geht das aber nicht von heute auf morgen.
LAOLA1: Mit Lisa Hauser und Felix Leitner haben sich zwei Athleten dazu entschieden, die Saisonvorbereitung außerhalb der ÖSV-Strukturen zu absolvieren. Trifft dich das als Sportdirektor?
Stecher: Es hat im Frühjahr gleich nach meinem Amtsantritt wirklich gute Gespräche mit beiden Athleten gegeben, es war absolut wertschätzend. Wir alle wollen, dass sie erfolgreich sind. Ich glaube, gerade in so einem arrivierten Alter, in dem Lisa jetzt zum Beispiel ist, darf oder muss man vielleicht sogar einen eigenen Weg gehen. Weil du irgendwann gesättigt bist, wenn ständig alles gleich passiert.
LAOLA1: Du warst schon als Aktiver jemand, der Sachen offen anspricht, auch wenn sie vielleicht unangenehm sind.
Stecher: Ich glaube, wenn man ehrlich ist und dabei respektvoll, wird das auch angenommen. Dann kann man auch mit Kritik umgehen. Das gilt auch für die Arbeit im Verband. Ich bin davon überzeugt, dass die Leute ihr Bestmögliches tun.