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Geht Ski-Österreich der (Gold-)Nachwuchs aus?

Rot-weiß-rote Top-Stars werden immer weniger, jahrelange Versäumnisse in der Nachwuchsarbeit sind teils nicht mehr zu kaschieren. Ein Blick auf die ÖSV-Sparten:

Geht Ski-Österreich der (Gold-)Nachwuchs aus? Foto: © GEPA

Alpine Ski-WM: Null Goldmedaillen. Nordische Ski-WM: Ebenfalls null Goldmedaillen.

Das ist die erfolgsverwöhnte Wintersport-Nation Österreich nicht gewöhnt. Als es zuletzt weder bei alpinen noch bei nordischen Weltmeisterschaften Gold gab, war die Verfasserin und wohl auch viele LeserInnen dieser Zeilen noch gar nicht geboren: 1985.

Betrachtet man alle vier Weltmeisterschaften in diesem Winter – Alpin, Nordisch, Biathlon sowie Freestyle- und Snowboard -  fällt die rot-weiß-rote Bilanz gar nicht schlecht aus. Österreich holte insgesamt 28 Medaillen: Je sieben bei den Alpinen und Nordischen, eine im Biathlon und ganze 13 bei den Freestylern und Snowboardern. Damit teilt man sich in der "Gesamtwertung" Platz zwei mit Schweden, allerdings mit deutlichem Rückstand auf die Top-Nation Norwegen, die insgesamt 56 Mal Edelmetall einsackte.

Geht es nach den Goldenen, liegt Österreich mit drei Stück nur auf Platz neun.

Natürlich, Medaillen spiegeln lediglich die Leistungen einzelner Tage wieder, für Erfolge – vor allem für Gold-Medaillen – müssen viele Faktoren zusammenspielen, dazu gehört oft auch Glück.

Das Abschneiden bei Großereignissen ist zugleich aber auch ein guter Indikator für den Gesamtzustand. Und da fällt auf: Österreich gehen langsam die Top-Stars aus, über so gut wie alle Sparten hinweg.

Versäumnisse der Nachwuchsarbeit sind nicht mehr zu kaschieren

Im Scheinwerferlicht jahrzehntelanger Erfolge und Ausnahme-Erscheinungen wie Marcel Hirscher wurde es in der vermeintlichen Ski-Nation Nummer eins verpasst, den Nachwuchs heran und vor allem an die Spitze zu führen. Die wenigen verbleibenden Weltklasse-Athleten können die Versäumnisse in der Nachwuchsarbeit nicht mehr kaschieren.

Es fehlt in vielen Disziplinen in der Breite sowohl an Quantität als auch an Qualität. Die Zeiten, in denen Österreich so breit aufgestellt war, dass man alles in Grund und Boden gefahren, gesprungen oder gelaufen ist, sind vorbei.

Das Problem ist längst bekannt. Man hat jedoch das Gefühl, es wurde beim ÖSV vor sich her bzw. von einem Verantwortlichen zum nächsten geschoben. Die Rechnung dafür bekommt man jetzt nach und nach präsentiert.

Mehr als einen oder zwei Sieg-Anwärter, die sich konstant an der Spitze behaupten können, findet man in den wenigsten Disziplinen.

Dass sich das über kurz oder lang nicht ändern wird - eher im Gegenteil -, hat unter anderem die alpine Junioren-WM in St. Anton drastisch vor Augen geführt.

Die schlechteste alpine Junioren-WM aller Zeiten

Erstmals in der 41-jährigen Geschichte der alpinen Junioren-WM blieb Österreich ohne Gold- und Silber-Medaille, die magere Ausbeute in St. Anton war zwei Mal Bronze durch Vincent Wieser im Super-G und in der alpinen Team-Kombination der Männer. Die Frauen blieben – ohne die Hoffnungen Victoria Olivier und Amanda Salzgeber - gänzlich ohne Edelmetall, unterm Strich schaute in den vier Einzel-Disziplinen nur ein einziger Top-10-Platz heraus. Noch besorgniserregender als Platz neun im Medaillenspiegel ist die Tatsache, dass der ÖSV – wie bei den Erwachsenen im Frauen-WM-Slalom - nicht einmal alle zur Verfügung stehenden Startplätze auffüllen konnte.

"Wir hatten keine großen Erwartungen, weil wir wussten, dass wir bei den Jahrgängen, mit welchen wir bei der Junioren-Weltmeisterschaft antraten, nicht gut aufgestellt sind", sagte ÖSV-Alpinchef Herbert Mandl im "ORF" nach der Junioren-WM. Eine Aussage, die nicht überall gut ankam, sich aber wohl nicht leugnen lässt. "Besonders in den Jahrgängen 2000 bis 2004 herrscht ziemliche Leere. Das ist Fakt", untermauert Mandl in den "NÖN". Wohl kein Zufall, dass der Nachwuchs in der Blütezeit von Hirscher vernachlässigt wurde.

In den jüngeren Jahrgängen sehe es da "aber nicht so trist aus", so der Alpinchef. "Doch es ist relativ dünn. Wir müssen schon schauen, dass wir mit mehr Athleten eine größere Dichte hinbekommen, auch hinsichtlich des Europacups."

In der Ebene unter dem Weltcup muss sich Österreich in der Gesamtwertung hinter der Schweiz anstellen. Unter den Top 15 sind nicht weniger als sieben Eidgenossen, zwei davon an der Spitze. Österreich belegt in Person von Stefan Rieser (24) und Felix Hacker (23) aktuell die Plätze vier und fünf, insgesamt stellt der ÖSV vier Athleten in den Top 15.

Bei den Frauen überwiegt hingegen Rot-Weiß-Rot. Mit Christina Ager (27) und Nadine Fest (24) liegen zwei Weltcup-erprobte Läuferinnen an der Spitze der Gesamtwertung, Michaela Heider und Sabrina Maier auf den Plätzen fünf und sieben fallen mit ihren 27 und 28 Jahren aber ebenfalls nicht mehr in die Kategorie "Talente". Auch auffällig: In den technischen Disziplinen hinkt Österreich bei beiden Geschlechtern bis auf wenige Ausnahmen hinterher.

Dass der Sprung vom Europacup in den Weltcup oft eine unüberwindbare Hürde ist, ist wiederum ein Thema für sich. Verletzungen tragen ihr übriges dazu bei, dass so manch aussichtsreiche Karriere früh verpufft. 

Bei Talenten wie Magdalena Egger (22) oder Lukas Feurstein (21), die teilweise schon Weltcup-Erfahrung gesammelt haben, müssen die Verantwortlichen im ÖSV Fingerspitzengefühl am Weg nach oben beweisen. 

Die jungen Nordischen liefern ab

Bei den Nordischen war die Ausbeute bei der Junioren-WM um einiges besser: Sieben Mal Edelmetall, davon zwei Gold, eine Silber und vier Bronzene.  

Die Nordischen Kombinierer sorgten für ein Mal Gold (Mixed) und drei Mal Bronze (Normalschanze Männer durch Paul Walcher und Frauen durch Lisa Hirner sowie Team Männer). Die Skispringer holten mit Julijan Smid, dem Wiener Louis Obersteiner, Stephan Embacher und Jonas Schuster, dem Sohn von Werner Schuster, Gold in der Mannschaft. Dazu kam Silber auf der Normalschanze der Männer durch Schuster (3 Österreicher in Top 6), sowie Bronze auf der Normalschanze bei den Frauen durch Julia Mühlbacher.

"Wir können sowohl bei den Springern als auch bei den Kombinierern zufrieden sein, wir haben extrem gute Nachwuchs-AthletInnen", sagt Mario Stecher, Sportlicher Leiter der Nordischen im ÖSV, gegenüber LAOLA1.  

Stecher hebt besonders den 2002er-Jahrgang hervor, aus dem auf Springer-Seite Athleten wie Daniel Tschofenig oder Markus Müller regelmäßig im Weltcup im Einsatz sind. Gleiches gilt bei den Kombinierern etwa für Stefan Rettenegger und natürlich Johannes Lamparter, der mit seinen erst 21 Jahren aktuell den Gesamtweltcup anführt. 

"Auch in der zweiten Reihe bis zu den Jahrgängen 2005, 2006 haben wir schon zahlreiche vielversprechende Talente bei uns", sagt Stecher. 

Im Continental Cup, der Vorstufe zum Weltcup, dominieren Norwegens Skispringer, bester Österreicher ist aktuell Müller (20) auf Platz 10, gefolgt von Clemens Leitner (24) und Maximilian Steiner (26). Bei den Frauen ist Katharina Ellmauer (22) beinahe alleine auf weiter Flur. Dafür sind Athletinnen wie Julia Mühlbacher (18) oder Hannah Wiegele (21) schon im Weltcup unterwegs. 

Bei den Kombinierern kämpft Manuel Einkemmer (21) umringt von Deutschen als Gesamt-Zweiter an der Spitze mit. Mit Christian Deuschl (25), Thomas Rettenegger (23), und Florian Kolb (21) liegen drei weitere ÖSV-Athleten in den Top 15. Nicht zu vergessen Lisa Hirner, die mit ihren erst 19 Jahren schon den Weltcup aufmischt, und Annalena Slamik (19). 

Der Übergang zwischen Continental Cup und Weltcup gestaltet sich bei den Nordischen nicht einfach. "Da muss man bei unseren Sportarten sehr behutsam sein. Auf der einen Seite braucht man arrivierte Athleten, um das ganze System in Schuss zu halten und Startplätze für den Weltcup lukrieren zu können, man braucht einfach diese guten Ergebnisse. Auf der anderen Seite braucht man auch den Nachwuchs, der dann an die Weltspitze kommen soll. Das gut auszutarieren ist die große Challenge. Das ist uns in letzter Zeit, glaube ich, gut gelungen", so Stecher. 

Langläufer an der Weltspitze? 2030 ist realistisch

Die ohnehin ausgedünnte Sparte Langlauf kämpft seit Jahren mit Nachwuchs-Sorgen. Neben Aushängeschild Teresa Stadlober gibt es auf Frauen-Seite aktuell nur Lisa Unterweger, die regelmäßig im Weltcup unterwegs ist. Bei den Männern sind es Benjamin Moser, Mika Vermeulen, Lukas Mrkonjic, Michael Föttinger und Philipp Leodolter. Dahinter sieht es eher düster aus. 

Alois Stadlober, der sportliche Leiter im ÖSV für den Langlauf, erklärte kürzlich bei der WM in Planica, dass es "mehrere Jahre" dauern würde, bis es nachkommende Athleten aus Österreich in die Weltspitze schaffen könnten.

"Dafür kommt Olympia 2026 viel zu früh, da kann man über 2030 reden", sagte Stadlober, der auch andere Institutionen neben dem ÖSV gefordert sieht.

"Zweite" Anna Gasser in Sicht? 

Im Lager der Snowboarder und Freestyler dürfen die 13 WM-Medaillen in Bakuriani nicht täuschen. 

Die erfolgreiche Generation um den 41-jährigen PSL-Weltmeister Andreas Prommegger befindet sich am Höhepunkt bzw. gegen Ende ihrer Karrieren. Sogar Medaillen-Bank Anna Gasser hat mit ihren 31 Jahren schon mit einem Karriereende geliebäugelt.

Potenzielle NachfolgerInnen der Kärntnerin stehen nicht gerade Schlange, eine davon ist die erst 15-jährige Hanna Karrer. Bei den Parallel-Boardern mischt mit Christoph Karner ein 19-Jähriger im Europacup als Gesamt-Zweiter vorne mit, bei den Frauen ist man mit der 20-jährigen Martina Ankele, Pia Schöffmann, Miriam Weis und Jessica Pichelkastner zumindest quantitativ gut aufgestellt. 

Biathlon-Juniorinnen lassen hoffen

Im Lager der Biathleten ist von der einst goldenen Generation nur mehr Simon Eder übrig, der Salzburger ist mit seinen 40 Jahren noch immer Österreichs mit Abstand bester Loipenjäger. Dahinter klafft mit Ausnahme von Felix Leitner und mit Abstrichen David Komatz eine große Lücke. Bei den Frauen hält Lisa Hauser die rot-weiß-roten Fahnen hoch.

Im IBU Cup, der Ebene unter dem Weltcup, muss man länger scrollen, bis man in der Gesamtwertung sowohl bei Männern (27. Frederick Mühlbacher) als auch Frauen (22. Kristina Oberthaler) ÖSV-Athleten findet, mit Anna Gandler hat ein hoffnungsvolles Talent in diesem Winter im Weltcup debütiert. 

Die Ausbeute bei der Junioren-Europameisterschaft – die WM ist aktuell im Gange – war mit drei Medaillen ordentlich. Die Goldmedaillen von Lea Rothschopf (Einzel) und Lara Wagner (Sprint) sowie Silber in der Single-Mixed-Staffel lassen hoffen.

"Wir haben bei den Damen bei den Juniorinnen und im Jugend-Bereich einen guten Nachwuchs, da gibt es wirklich Talente, die sich sehr gut entwickeln und richtig gute Biathletinnen werden können. Bei den Männern schaut es ehrlich gesagt schlechter aus, verglichen zu den Damen haben wir nicht so viele Talente dabei, die so richtig aufzeigen. Aber es ist schon etwas da, das sich entwickeln kann", sagt Ex-ÖSV-Ass Dominik Landertinger im Gespräch mit LAOLA1

Bei den Männern ist ein Loch hinter der Weltcup-Truppe entstanden, um dieses zu schließen, benötigt es laut Landertinger sicher einige Jahre ("bis zu Olympia 2026 wird es schon knapp") und man müsse "sehr viel investieren, gerade im Jugend- und Junioren-Bereich". 

Das Grundproblem

Das trifft wohl nicht nur auf die Biathlon-Sparte zu. In Zeiten, in denen die Gesellschaft in Österreich immer älter wird, und Kinder mehr Zeit vor dem Handy oder der Spielekonsole als in der Natur verbringen, ist es keine leichte Aufgabe, den Nachwuchs für den (professionellen) Sport zu begeistern. 

"Das größte Problem, das der österreichische Sport - bis auf den Fußball hat - ist, dass die gesellschaftliche Entwicklung uns nicht in die Hände spielt. Kinder wachsen nicht mehr so wie früher in der Natur auf, viele hängen durch die Digitalisierung vor den Handys und Computern. Wenn sie dann zu Vereinen kommen, fehlt schon eine gewisse Entwicklung und die Talente kommen einfach nicht so heraus", gibt Landertinger zu bedenken. 

Diese wenigen Talente dann so zu formen, dass sie es bis an die Weltspitze schaffen, ist die noch größere Herausforderung. 

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