Zwei Olympia-, sieben WM- und sieben EM-Medaillen, dazu ein Gesamtweltcupsieg bei den Doppelsitzern - die bisherige Karrierebilanz des österreichischen Rennrodlers Wolfgang Kindl kann sich durchaus sehen lassen.
Besonders beachtlich: All das erreichte der Tiroler, obwohl seine körperlichen Voraussetzungen für diese Sportart alles andere als optimal sind. So ist er mit 166 Zentimetern Körpergröße für einen Rodler doch ungewöhnlich klein.
Genug hat der 36-Jährige, der sich erst im vergangenen Winter auf das Abenteuer Doppelsitzer - und das ziemlich erfolgreich - einließ, aber noch nicht. Eine tückische Erkrankung bremste den Heeressportler in der Vorbereitung auf die am Wochenende startende Saison allerdings ordentlich aus.
Im Interview mit LAOLA1 sprach Kindl über seine Nachteile als eher kleiner Sportler, seine weiteren Ambitionen sowie die schwierige Saisonvorbereitung der vergangenen Monate.
Wie Kindl die fehlende Größe kompensiert
Wie schon angesprochen ist Wolfgang Kindl mit einer Körpergröße von 1,66 Metern für einen Rodler sehr klein, der Großteil seiner Konkurrenten ist ein ganzes Stück größer als er. Inwiefern ist es aber eigentlich genau ein Nachteil, wenn man kleiner ist? "Am Start braucht man eigentlich einen langen Hebel", denn dort werden die Arme beim Abdrücken und den anschließenden sogenannten Paddelschlägen besonders wichtig.
Immer wieder musste er sich anhören, dass er es "als Rodler nie weit bringen würde". Doch unterkriegen lassen hat sich der Tiroler von all den negativen Stimmen nicht, sondern hat Wege gefunden, um trotzdem an der Weltspitze mitzufahren.
(Artikel wird unterhalb fortgeführt)
Durch eine enorme Menge an Schnellkrafttraining versucht der 36-Jährige, die Kraft in den Armen zu maximieren. Fakt ist aber, dass er am Start im Gegensatz zu den anderen Rodlern immer verliert.
Das Rennrodeln besteht aber nicht nur aus dem Start, danach kommt ja auch noch eine lange Distanz auf der Bahn, wo Kindl seine großen Stärken ausspielen kann. Durch exzellente Technik und ein hervorragendes Fahrgefühl kann er die zu Beginn verlorene Zeit wettmachen, auf der Bahn ist er wohl einer der Besten der Welt.
"Ich war wirklich voll fertig, ich habe einen Ruhepuls von über 100 gehabt. Es war jede Bewegung mühsam."
Aus einem Schmäh wurde der Gesamtweltcup
2006/07 bestritt der Natterer seinen ersten Winter im Rennrodel-Weltcup im Einsitzer. Erst im vergangenen Jahr wagte er sich dann erstmals gemeinsam mit Thomas Steu auf den Doppelsitzer, nachdem dessen langjähriger Partner Lorenz Koller im April 2023 das Handtuch geworfen hatte.
Doch wie kam es eigentlich dazu? Kindl schildert: "Als Thomas sein Partner gesagt hat, dass er nicht mehr weitermacht, habe ich eigentlich als Schmäh gesagt: 'Dann setze ich mich mit dir drauf.'"
Ein Schmäh, der zur Realität und binnen weniger Monate zur Erfolgsgeschichte werden sollte. Das Duo Steu/Kindl holte in seiner Premierensaison gleich zwei Mal WM-Silber, zwei Mal EM-Gold sowie den Gesamtweltcup. Eine Bilanz, die sich durchaus sehen lassen kann.
Wie er erzählt, sei es immer sein Ziel gewesen, den Gesamtweltcup zu gewinnen. Im Einsitzer ist ihm das (bisher) nicht gelungen, 2015/16, 2017/18 und 2021/22 wurde er Zweiter.
Mit dem Weltcupauftakt in Lillehammer am Wochenende beginnt die neue Rodelsaison. Die Vorbereitung des Tirolers verlief zunächst eigentlich gut, ehe er von einer tückischen Krankheit ausgebremst wurde: dem Pfeifferschen Drüsenfieber. Das ist eine Virusinfektion, die durch das Epstein-Barr-Virus ausgelöst wird.
"Ich war wirklich voll fertig, ich habe einen Ruhepuls von über 100 gehabt. Es war jede Bewegung mühsam", schildert er. Schmerzen am ganzen Körper und geschwollene Lymphknoten kamen noch dazu. Normale Alltagsaktivitäten, wie Spazierengehen, seien etwa ebenfalls lange eine große Anstrengung gewesen.
Besonders unvorteilhaft war, dass die Erkrankung erst nach zwei Wochen des Unwohlseins diagnostiziert wurde. "Die Ungewissheit" sei noch ein zusätzlicher Faktor zu den körperlichen Beschwerden gewesen.
Noch nicht bei 100 Prozent
Seit Ende Oktober ist Kindl wieder im Training dabei, die Nachwehen der Krankheit seien aber weiterhin bemerkbar. Vor allem das Rodel-Training klappe aber schon recht gut, aber: "Ich muss sagen, dass ich immer noch damit zu kämpfen habe, vor allem was die Regeneration angeht."
Im norwegischen Lillehammer wartet ein strammes Programm auf Kindl. Denn neben dem Ein- und Doppelsitzer-Bewerb wird erstmals der neue Mixed-Bewerb ausgetragen. Anders als beim Team-Bewerb, wo ein Frauen-Einsitzer, ein Männer-Einsitzer und ein Doppelsitzer für ihre Nation an den Start gehen, sind es im Mixed von beiden Geschlechtern je Ein- und Doppelsitzer.
Aus dem Training ist er das aber immerhin schon gewohnt. Auch wenn Kindl körperlich noch nicht bei 100 Prozent ist, wird das Wochenende gewiss wichtige Erkenntnisse bringen, "bisher hatten wir ja nur intern den Einblick, wo wir aktuell stehen."
Man darf also gespannt sein, wie sich der angeschlagene Wolfgang Kindl schlagen wird. Nach Lillehammer geht es jedenfalls nahtlos weiter, am 7. und 8. Dezember mit dem Heimweltcup in Innsbruck-Igls, das Wochenende darauf in Oberhof.
Auf die dreiwöchige Pause danach freue sich Kindl schon jetzt, lacht er.