David Gleirscher wird sein Dauergrinsen nicht mehr los. Der Überraschungs-Olympiasieger genießt sein goldenes Rodel-Märchen, lässt Ehrungen, Feierlichkeiten und Medien-Marathon über sich ergeben.
Er freut sich über jede Minute, die er mit seiner Familie im Stubaital verbringen kann. Für Freundin Larissa und den acht Monate alte Sohn Leon ist David Gleirscher auch ohne Medaille ein Goldschatz.
Der 23-jährige Tiroler liebt aber eine zweite "Familie" und schwärmt im LAOLA1-Interview von den Rodlern.
Das extrem familiäre Verhältnis im Rodelverband und der starke Zusammenhalt unter den Athleten ist für Gleirscher eines der ganz großen Erfolgsgeheimnisse seines Sensation-Goldes.
Noch genießt der Jung-Papa die unzähligen Selfies, findet es "cool, wie begehrt man als Sportler mit einer Goldmedaille um den Hals plötzlich ist."
Als Geschenk von der Familie und seiner Heimatgemeinde gab es für Gold-David eine Vitrine, um seine Medaillen - schließlich holte er in Korea auch noch Bronze im Teambewerb - und Trophäen zu verstauen. "Noch liegen sie auf dem Nachtkasterl neben dem Bett, aber bald schon werde ich sie zu Hause ausstellen", freut sich Gleirscher über den Trophäenschrank.
Am Sonntag packt David Gleirscher wieder seine Koffer, verlässt Larissa und Leon, um auf der Olympiabahn von 2014 im russischen Sotschi als Olympia-Sieger in die neue Saison zu starten.
LAOLA1: Kommende Woche wird es für dich wieder ruhiger, wenn du auf der Rodel sitzt und in Sotschi trainierst. Warum eigentlich?
David Gleirscher: Wir nutzen die Chance, um nach der Saison und völlig befreit vom Druck der Weltcup-Rennen und der Bewerbe bei Olympia die Bahn in Sotschi genau zu studieren und aufzuarbeiten. Wir werden dort mit einem jüngeren Team arbeiten, mit Athleten, die noch nicht in Sotschi waren, also jenen Leuten, die bei Olympia 2014 nicht dabei waren. Dort wollen wir viele Trainingsläufe absolvieren und uns intensiv mit dem Eiskanal auseinandersetzen. Da können wir in Ruhe ein Programm abarbeiten, das in einer Weltcup-Woche nicht möglich ist. Da sind die Trainingsläufe begrenzt und alle Nationen auf der Bahn. Für uns gilt es in den Trainingstagen ein gutes Gefühl für die Bahn in Russland aufzubauen, da in Sotschi 2020 die Weltmeisterschaft auf dem Programm steht.
LAOLA1: Hat nur, wer den jeweiligen Eiskanal in- und auswendig kennt, eine Chance zu gewinnen?
Gleirscher: Ja, so ist das. Die Erfahrung spielt in unserem Sport eine enorm große Rolle. Man muss auf die verschiedenen Kurven-Einfahrten und –Ausfahrten richtig reagieren, muss jede Kurve – auch bei höchster Geschwindigkeit - genau treffen. Je öfter man eine Bahn heruntergefahren ist, desto leichter fällt einem in der Regel dann der Wettkampf.
LAOLA1: Die Olympiabahn in Korea war für alle Athleten relativ neu. Du hast bislang noch keinen Weltcup-Podestplatz, dafür aber Olympia-Gold. Heißt das, dass du dich schnell mit neuen Bahnen vertraut machst und dich in einem fremden Eiskanal schnell zurecht findest?
Gleirscher: Auf die Bahn in Pyeongchang habe ich mich tatsächlich schnell eingestellt. Bereits bei unserer Trainingswoche im Vorfeld der Spiele habe ich mich auf dieser Bahn sehr wohlgefühlt. Ich war auch vom Speed her von Anfang an voll dabei. Dass es dann beim Rennen so gut hinhaut, ist natürlich überwältigend. In diesem Eiskanal habe ich mich wirklich bei jeder Fahrt sehr wohl gefühlt und daher habe ich auch sehr bald mit einer Medaille spekuliert.
LAOLA1: Neben dem Gefühl für eine Bahn muss aber auch das Material passen. Spielt Österreich da in der höchsten Liga mit?
Gleirscher: Absolut, ich glaube wir sind beim Material auf einem sehr hohen Niveau. Wir haben diesbezüglich auch viele Partnerfirmen, die uns auf diesem Sektor sehr gut unterstützen. Mit dem ehemaligen Weltklasse-Rodler und Medaillen-Gewinner Tobias Schiegl haben wir zudem einen super Mann in unseren Reihen. Die Deutschen waren in Sachen Material lange Zeit absolut führend. Wir sind auf Augenhöhe und dürfen nicht locker lassen, da dieser Faktor in unserem Sport von enormer Wichtigkeit ist. Da muss jede Nation immer auf der Hut sein. Alle entwickeln das Material weiter und du darfst dich diesbezüglich nie zurücklehnen.
LAOLA1: Beim Rodelverband wird immer wieder betont, wie gut der Spirit innerhalb der Truppe ist. Ist das Klima wirklich so familiär?
Gleirscher: Ganz bestimmt. Bei uns im Herrenteam vergönnt jeder jedem den Erfolg. Da gibt es keinerlei Geheimnisse und das Gemeinsame steht über allem. Wir sind heuer eine beinharte Ausscheidung für Olympia gefahren. Ich habe mich in Norwegen auf den allerletzten Drücker knapp vor den Spielen qualifiziert und ich hatte nie das Gefühl, dass ich jemandem den Platz wegnehme. Jeder freut sich für den anderen und die, die zu Hause bleiben mussten, waren mit die ersten, die gratuliert haben. Ich könnte mir keinen besseren Teamspirit vorstellen. Es läuft aktuell hervorragend und Olympia hat gezeigt, dass innerhalb des Rodelverbands ein großer Zusammenhalt herrscht. Das ist ganz sicher die ideale Basis für Erfolge.
LAOLA1: Neben der "Rodelfamilie" besitzt du ja in Tirol auch eine echte Familie, die viel Kompetenz in Sachen Rodeln und Olympia hat. Wie wichtig ist das?
Gleirscher: Sehr wichtig natürlich. Mein Vater Gerhard ist Ex-Weltmeister und war als Rodler drei Mal bei Olympia, mein jüngerer Bruder Nico ist in der Ausscheidung für Olympia knapp auf der Strecke geblieben, mein Opa Vinzenz Hörtnagl war als Gewichtheber bei Sommerspielen. In unserer Familie dreht sich also sehr viel um Sport und es ist sicher ein Ziel, 2022 in Peking gemeinsam mit meinem Bruder am Start der Spiele in China zu stehen.
LAOLA1: Ihr Rodler steht bei Olympia alle vier Jahre als verlässliche Medaillensammler im Focus der Medien. Gerade dann dürft ihr eure Sponsoren nicht präsentieren. Wie lebst du mit den Auflagen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC)?
Gleirscher: Natürlich ist Olympia unumstritten unser Top-Event, nur zu diesem Anlass haben wir eine derart große Medien-Präsenz. Da ist es natürlich schade, dass wir unsere Geldgeber nicht entsprechend präsentieren können. Eine Aufmerksamkeit wie bei Olympia ist für unsere Sponsoren sonst nie da. Aber was soll's. Es ist nun einmal so und damit müssen wir uns vorerst einmal damit abfinden. Ich weiß nicht, was diesbezüglich für die Zukunft angedacht ist, aber ich muss das akzeptieren und meine Sponsoren eben jetzt bis in vier Jahren in Peking entsprechend präsentieren und zufrieden stellen.
LAOLA1: Als Olympia-Sieger im Einsitzer und der Bronze-Medaille im Team-Bewerb zählst du natürlich auch zu den Kandidaten bei der Wahl zum "Sportler des Jahres". Rechnest du dir da Chancen aus?
Gleirscher: Naja, dieser Titel klingt richtig gut, aber mit Marcel Hirscher und Dominic Thiem haben wir da zwei Top-Sportler, die ich definitiv über mir sehe. Marcel hat gerade wieder eine Mega-Saison hingelegt und ist Doppel-Olympiasieger. Dominic legt aktuell eine faszinierende Karriere hin und ich wünsche ihm, dass er bei den French Open in Paris triumphiert. An den beiden wird es wohl - speziell heuer - kein Vorbeikommen geben.
LAOLA1: Wie verbringt ein Rodel-Olympiasieger seinen Sommer? Welche Sportarten oder Hobbys betreibst du?
Gleirscher: Viel Zeit bleibt leider nicht. Auch der Sommer ist zum größten Teil mit dem Training für die nächste Saison verplant. Nach unseren Trainingstagen in Sotschi bleiben vielleicht zwei, drei Wochen, um zu entspannen. Dann geht die Vorbereitung wieder los. Zwischendurch wartet ein Monat lang eine Ausbildung bei meinem Arbeitgeber, der Polizei. Und wenn ich dann einmal frei habe, versuche ich so viel wie möglich mit meiner Familie zusammen zu sein. Ich genieße die Zeit mit meiner Freundin und meinem Sohn. Wenn es sich vereinbaren lässt, schaue ich auch gerne beim Fußball - bei Wacker Innsbruck - vorbei oder spiele mit meinen Rodelkollegen selber Fußball. Aber neben der intensiven Sommervorbereitung bleibt wenig Zeit, sich anderen Hobbys zu widmen.
LAOLA1: Wer sind deine Lieblingskicker?
Gleirscher: Also, am liebsten schaue ich Lionel Messi auf die Beine. Was der auf dem Platz aufführt, ist großartig. Aber auch Neymar sehe ich gerne. Einfach spitze, was die abliefern.
Das Gespräch führte Peter Rietzler