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Das Olympia-Turnier unter der Experten-Lupe

Was bringen Kanada und die USA an den Start? Was ist von China zu erwarten?

Das Olympia-Turnier unter der Experten-Lupe Foto: © GEPA

Elf Tage lang hat auch die Eishockey-Welt ihre Augen nach Peking gerichtet. Das Olympische Turnier steht mit der Beteiligung von zwölf Teams an.

LAOLA1-Experte Bernd Freimüller erklärt, wer teilnimmt, wie der Modus zu den Medaillen funktioniert, und wie sich die Kader aller Nationen - diesmal leider wieder ohne den NHL-Cracks - zusammensetzen.

Los geht es mit den Teams der Gruppe A: Kanada, USA, Deutschland und Gastgeber China:

Wer darf teilnehmen?

Acht Teams aufgrund der IIHF-Weltrangliste, drei Teams qualifizierten sich via einer Gruppenphase (die Slowakei etwa im August gegen Österreich). China ist als Veranstalter gesetzt.

Wie schaut der Modus aus?

Drei Gruppen zu je vier Teams, die Spiele beginnen am 9. Februar. Die Gruppensieger und der bestplatzierte Zweite sind für die Viertelfinali qualifiziert, der Rest spielt in K.o.-Spielen um die restlichen Plätze. Damit sind jedem Teilnehmer vier Spiele garantiert, am 15. Februar endet das Turnier für vier Mannschaften. Das Finale steigt am 20. Februar.

Welche Spieler sind mit von der Partie?

 

Im Gegensatz zu Pyeongchang sollten die NHL-Cracks wieder mit von der Partie sein. Das endgültige Ja der NHL und Spielergewerkschaft kam Anfang September. Knapp vor Weihnachten dann der Rückzieher: Aufgrund der Covid-Lage wurden fast 50 Spiele in der NHL verschoben, die Olympiazeit wird für die Nachtragsspiele gebraucht. Natürlich hatten auch einige Spieler, die ansonsten militant auf die Teilnahme pochten, keine Lust auf eine eventuelle Quarantäne in Peking.

Das bedeutet: Spieler mit aufrechten NHL-Verträgen dürfen am Turnier nicht teilnehmen, ganz egal, ob sie in der NHL, AHL oder in Europa spielen.

Das hatte im Fall von Gregory Hofmann Konsequenzen: Er hatte vor Weihnachten von den Columbus Blue Jackets genug, kehrte von seinem Schweiz-Aufenthalt anlässlich der Geburt seiner Tochter nicht mehr zurück. Die Blue Jackets lösten darauf seinen Vertrag auf. Hätten sie ihn nach Zug nur ausgeliehen, wäre er für Olympia nicht spielberechtigt.

Cracks mit reinen AHL-Verträgen sind teilnahmeberechtigt.

Gruppe A

Kanada

Die Ahornblätter setzen auf eine Mischung von AHL-Spielern, Europa-Legionären und Youngsters. Prominentester Name natürlich: Eric Staal, mit 37 Jahren und fast 1.300 NHL-Spielen im Sommer noch ohne Verein. Er gab im Jänner beim Rossi-Klub Iowa Wild sein Comeback, um sich bei Olympia nochmals ins Schaufenster zu stellen.

Owen Power
Foto: © getty

Ebenfalls ein in allen Ehren ergrauter Veteran: Adam Cracknell von den Bakersfield Condors, mit 36 auch schon im Endspurt seiner Karriere, aber als Charakterspieler immer noch hoch angesehen.

Am anderen Ende der Altersskala: Buffalo-Prospect Owen Power (19), ein spielstarker Defender. Er war zuletzt bei der abgebrochenen Junioren-WM ebenso dabei wie der gleichaltrige Center Mason McTavish. Eigentlich mit einem NHL-Vertrag ausgestattet, dieser kam nach neun Spielen für die Anaheim Ducks und der Rückkehr in die OHL allerdings noch nicht zum Tragen.

Der Großteil der Europa-Legionäre kommt aus den starken Ligen SHL, KHL und NL, Ausnahmen sind die DEL-Cracks Ben Street und Landon Ferraro, Sohn des NHL-Pundits Ray.

Kurios: Josh Ho-Sang, ein talentierter, aber schwer zu coachender Flügel, hat mehr chinesische Wurzeln als der Großteil des Veranstalter-Kaders.

Im Trainerstab gabs noch eine kurzfristige Umbesetzung: NHL-Routinier Claude Julien – mit 61 Jahren vielleicht auch schon etwas unstet auf den Eisen – brach sich beim Training die Rippen und konnte die Reise nicht mitmachen. Für ihn übernahm Ex-Chicago-Coach Jeremy Colliton.

USA

Jake Sanderson
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Gleich 15 College-Spieler stehen im Aufgebot von Ex-Rangers-Coach David Quinn, 13 davon sind NHL-Prospects. Die prominentesten Namen: Jake Sanderson, die zukünftige Defender-Hoffnung der Ottawa Senators. Der 5th-Overall-Pick im 2020 Draft war auch zuletzt bei der Junioren-WM dabei. Matt Beniers, im letzten Draft als Nummer 2 von den Seattle Kraken gezogen, dominierte an der University of Michigan zuletzt offensiv und dürfte einem NHL-Kontrakt sehr nahe sein.

Zwei AHL-Spieler sind mit von der Partie, Defender Aaron Ness (derzeit Providence Bruins) kenne ich noch aus seiner Zeit in der Islanders-Organisation. Für mich ist er ein steter Kandidat für die SHL oder KHL, hat aber mit 31 Jahren seinen Traum von einer Rückkehr in die NHL offenbar noch nicht aufgegeben.

Wie bei Kanada kommen die Europa-Legionäre aus der SHL und KHL, Ingolstadt-Defender David Warsofsky (von ihm hätte ich mir mehr erwartet) ist die DEL-Ausnahme.

Durch die Konzentration auf College-Cracks ist die USA mit einem Durchschnittsalter von unter 25 Jahren natürlich das jüngste Team des Turniers, das sind fast sechs Jahre weniger als die finnische Seniorentruppe.

Deutschland

Dominik Kahun
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Teamchef Toni Söderholm ließ sich auf keine Experimente ein, 21 seiner 25 Cracks standen auch im letzten WM-Aufgebot. Lediglich vier Spieler kommen nicht aus der DEL, kein Wunder also, dass vor allem die Spitzenteams wie Red Bull München oder Mannheim gegen den Nachtrag von abgesagten Spielen während der Spiele opponierten.

Natürlich fehlen Söderholm so NHL-Cracks wie Tim Stützle oder Moritz Seider – der Detroit-Defender hätte wohl auch hier locker 20 bis 25 Minuten pro Spiel weggedrückt. Einige Spieler (Konrad Abeltshauser, Korbinian Holzer, Tom Kühnhackl, Marcel Noebels, Tobias Rieder) haben ihre NHL/AHL-Karrieren schon hinter sich. Dominik Kahun könnte noch auf eine zweite Chance hoffen, er sitzt aber beim SC Bern im finanziell gemachten Nest, zahlt das aber auch als einer der wenigen dort mit Leistung zurück.

Routiniers gibt es im DEB-Team zuhauf: Goalie Danny aus den Birken (36), dessen Nominierung aufgrund einer schwachen Saison in München aber umstritten war. Mathias Niederberger sollte aber ohnehin die Nummer 1 sein. Dazu kommen im fortgeschrittenen Alter noch Defender Moritz Müller (35) sowie die Stürmer Patrick Hager (33) und Daniel Pietta (35).

Ein altbekannter und gut durchgehangener Kader also, aber ich sehe nicht unbedingt einen Crack, den die NHL-Scouts (wohl nur vom Bildschirm her) für höhere Aufgaben ausersehen könnten.

China

Die Teilnahme der Hausherren ist kein Ruhmesblatt für das Turnier. Natürlich ist die Ansage von möglichen 0:100-Debakeln gegen Kanada haltloses Gefasel, auch wenn Kunlun (mit dem Olympia-Kader fast ident) in der KHL heuer noch schwächer auftritt als sonst.  

Jake Chelios
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Nur: Wie die Chinesen, deren Nationalteam eigentlich nur in der Viertklassigkeit dahindümpelt, zu ihrem Olympia-Kader kamen, macht der IIHF keine Ehre. Über Jahre wurden Legionäre aus Übersee ins Land geholt und mit Pässen ausgestattet, die 18-Monate-Frist im Land für einige Cracks gerade noch eingehalten. Gut vorstellbar, dass nach dem Olympia-Abenteuer das Projekt mit Kunlun in der KHL bald zu Ende geht. So warf Korea nach den Spielen von 2018 seine nordamerikanischen Gastarbeiter fast vollständig wieder über Bord.

Auch wenn die Namen ins Chinesische übertragen werden sollen, kennt man noch einige Cracks aus anderen Ligen. Goalie Jeremy Smith ist ein ehemaliger Nashville-Draftpick mit etwas NHL-Erfahrung. Defender Jake Chelios ist natürlich der Sohn von NHL-Legende Chris, war bis auf fünf Spiele für Detroit aber nur ein solider AHLer.

Center Cory Kane kenne ich noch aus seiner Zeit in der tschechischen Extraliga, wo er ein körperlich starker Mann für Zwei-Weg-Dienste war. Wie er auch kurz in Trinec tätig: Ethen Werek, der etwas mehr Offensive mitbringt. Beide wären gute Leute für die DEL, Brandon Yip (Kapitän bei Kunlun) hat mit 36 Jahren diese Liga (Mannheim, Düsseldorf) wohl schon hinter sich.

Nicht dabei: Cliff Pu, der die Vienna Capitals im Sommer nach einem Kurzaufenthalt wieder verließ. Er ist seit Anfang Dezember verletzt, hätte die 18 Monate im Lande auf keinen Fall erfüllt, daher eine Ausnahmegenehmigung gebraucht.

Ivano Zanatta und Clayton Beddoes stehen bei diesem Kung Pao/Poutine-Gemisch (mit Defender Ivan Osipov auch noch um einen gebürtigen Russen bereichert) hinter der Bande – gut möglich, dass sie sich nach Peking auch um neue Arbeitsplätze umschauen müssen. Alles andere als ein Ausscheiden nach vier Spielen wäre eine Sensation.

 

Die Vorschau auf die Teams der Gruppen B und C folgt!

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